Meinen Ausführungen vorausschicken möchte ich eine besondere Begebenheit auf dem Kirchentag. Neben den zahlreichen Veranstaltungen von Bibelarbeiten über Gesundheitspodien und das Feiern von einem Abend  der Begegnung mit mehreren hundert Menschen, gab es einen eher kleinen Bereich“ Psychologische Beratung und Seelsorge“. In Halle 14/15 wurden Gruppengespräche zum Thema: Stärke finden und Schwäche aushalten, kann mir der/mein Glaube helfen, durchgeführt. Der Gruppenleiter, ein Pfarrer aus Hamburg, der seit Jahren  in  der Krankenhausseelsorge tätig ist, eröffnete  die Vorstellungsrunde mit der Bitte: Jeder stelle sich vor, indem er erläutere: Ich glaube an oder ich lebe im Glauben. Der Theologe verlas  ein Friedensgebet von Nelson Mandela  und nahm  die Bibel zur Hand, in dem er die Geschichte““ Saulus wird zum Paulus“ vorstellte  und von der Möglichkeit einer totalen Veränderung eines Menschen sprach.  Die Veranstaltung war für mich zum einen das Zeugnis eines Christen , aber andererseits   auch ein Zeichen  für die große oft Vielfalt  der Veranstaltungen auf dem Evangelischen Kirchentag .  Die besondere Betonung des  gesellschaftspolitischen Engagements der Kirchentagsmitwirkenden( ich denke u. a. an den Markt der Möglichkeiten)  wird leider oft als Argument benutzt, um die gesamte  Veranstaltung als solche in Frage zu stellen oder gar zu diffamieren. 

Unser Stand auf dem Markt der Möglichkeiten, der am  Eingang der Halle 5 sehr gut sichtbar platziert gewesen ist, war  ein Erfolg im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit für Bündnis C. Wir konnten intensive Gespräche mit den Kirchentagsbesuchern führen .Viele junge  Menschen  hatten Gesprächsbedarf , kannten Bündnis C  nicht ,lauschten interessiert  unseren Ausführungen..  Ich bin mit der Fragestellung: Sollten Christen politisch aktiv sein?  auf die Kirchentagsteilnehmer zugegangen und habe erlebt, dass alle bereit waren, sich schriftlich dazu zu äußern. Es hat erstaunlicherweise keine Äußerung dahingehend gegeben: Christen sollten sich nicht politisch engagieren. Der leichte Einstieg in das komplexe Thema“ Christ und Politik“ war für die Gesprächsführung  hilfreich.  Durch das Befestigen der persönlichen Beiträge wurde unser Stand „lebendiger“ und stärker wahrnehmbar für den Betrachter .

 Das Motto des Kirchentages „ mutig ,stark, beherzt“ konnte symbolisch durch die Herzen von den Besuchern aufgenommen werden. Es gab Meinungen mit der  klaren und unmissverständlichen Botschaft : Ja ,ein eindeutiges Bekenntnis zum politischen Engagement von Christen  bis hin zu der Angst, bloß nicht, wer will denn heute noch einen Gottesstaat haben? Die Befürchtungen konnten von uns entkräftet werden, denn Bündnis C bekennt sich zur Trennung von Staat und Kirche.

Viele  Besucher äußerten sich kritisch über die Situation im Gazastreifen und man wunderte sich über die israelische Flagge an unserem Stand.  Die Siedlerpolitik der Israelis wurde zum Teil sehr stark kritisiert bzw. verurteilt Wie können wir im Westen aus ferner Perspektive die Gewalt gegen  das palästinensische Volk kritiklos hinnehmen, so lautete der Vorwurf.  Das Christen, die Entstehung des Staates Israel 1948 ais einen Eingriff Gottes für sein Volk verstehen, war Ihnen fremd und nicht nachvollziehbar. Die Gespräche zeigten eine Fokussierung  auf  die grausamen Folgen für die  Menschen  in den Siedlergebieten, und man  glaubte, dass nur die Zweistaatenlösung den Konflikt zwischen Juden und Muslime lösen kann. Man erhoffte sich nichts sehnlicher als ein baldiges Ende der furchtbaren Zustände an der zivilen Bevölkerung , was sich inzwischen noch verstärkt hat  und z. B. einen Politiker wie Emanuel Macron zu einem unglaublichen Vorstoß ermutigt. Viele der Kirchentagsbesucher kritisierten die positive Haltung der Christen zur israelischen Politik. Sie erkannten in dem Nah-Ost-Konflikt nicht die unüberwindbare Mauer der Feindschaft zwischen Juden und Palästinensern, die eine Annäherung  utopisch erscheinen lässt. Leider hat ein Großteil der Palästinenser und Araber nur den einen Wunsch, den jüdischen Staat auszulöschen.

 Unsere christliche Partnerorganisation Sallux hat eine  Analyse unter dem Titel „Zwei Staaten für zwei Länder?“ herausgegeben, die die Zweistaatenlösung als gescheitert ansieht. Dort wird u.a. ausgeführt, dass ein freiheitlicher Staat mit demokratischen Strukturen in Palästina nicht entstehen kann, weil die traditionell religiös-islamistische Prägung dem grundsätzlich entgegensteht.  

Im letzten Teil meiner Ausführungen gehe ich auf die Methode meiner Datensammlung  , einer Art brainstorming ein. Die anfängliche Fragestellung war sehr offen formuliert:“ Sollten Christen sich politisch engagieren ? „. Entsprechend allgemeingültige Antworten  wurden gegeben( 3 oder 4 Beispiele benennen).   Es  wurden aber auch bestimmte Schwerpunkte gesetzt  ( z.B. Nur in der Politik können wir erreichen: Verpflichtender Religionsunterricht in den Schulen oder Wie können wir die Völker in Frieden halten? Oder Die allerkleinsten schützen, den Sprachlosen  eine Stimme geben. oder  die interessante Äußerung   :das wäre eine wunderbare Möglichkeit  , dass mehr Frieden , Akzeptanz öffentlich wäre.  Später wurden die Fragen erweitert bzw. weiter eingegrenzt  , z.B. Wie kann die Politik die Familien unterstützen? 0der Wie kann die neue Regierung Geld sparen? Oder: Was wünschen sie sich von der neuen Regierung? (3 Beispiele besprechen)

 Mein Wunsch wäre es, dass  wir beim nächsten Kirchentag in Düsseldorf vom  5.5.-9.5.2027 als christliche Partei wieder dabei sein könnten .Emil aus unserem Landesverband hat unsere Teilnahme möglich gemacht, und wir danken ihm dafür. Vielleicht gelingt es den Mitgliedern des Landesverbandes NRW 2027 auch, eine Teilnahme von Bündnis C am 40.evg.l Kirchentag in Düsseldorf zu  erwirken. Eine biblisch orientierte Partei wie Bündnis C darf meiner Meinung nach, bei einer kirchlichen Veranstaltung in der Größenordnung nicht fehlen.    

Hermann Bohnenkamp
stellv. Landesvorsitzender Niedersachsen